Page 14 - Günter Beier: Terra cognita
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Lange vor Corona behandelt Beier eine Urlaubsform, die nunmehr
          einen sensationellen Boom erlebt.

          Die Caravanbranche kommt aktuell aus dem Jubeln nicht heraus. Eine erd-
          gebundene Form der Ferien – Camping in allen Variationen bis zum Glam-
          ping – feiert Höhenflüge. Die Umsätze gehen durch die Decke.

          Im Jahr 2016 nähert sich Beier noch ein wenig verschämt dem Motiv, man
          möchte ja nicht stören. Hinter einer hohen Hecke beäugt er das Vehikel, in
          dem Vorhänge und Sichtblenden heruntergelassen sind, aus diskreter Dis-
          tanz. „Camping“ nennt er das Gemälde, das die dazu gehörenden vielfälti-
          gen Tätigkeiten gar nicht zeigt. Oh nein: Ein Mann fährt ihnen auf seinem
          Roller sogar davon. Ebenfalls entfernt sich – in entgegengesetzter Richtung
          – eine Blondine. Das Bild könnte mithin den Titel Ehekrach tragen. Das sym-
          bolstarke Zentralmotiv – ein angeschnittener Campingwagen oder
          Wohnmobil – würde gar listig am vorderen Bildrand platziert worden sein,
          und die eigentliche Geschichte, sie könnte dahinter liegen.

          Das ist die Kunst von Günter Beier: Der Schauplatz kann auch ein Tatort
          sein. Das Lakonische, es ist vielleicht nur Trug. Man weiß es nicht genau,
          bekommt vom Maler ein Setting, auf dem die Fantasie Schlittschuh fahren
          kann.



          Suspense ist ein passendes Stichwort. Was vordergründig in Szene
          gesetzt ist, das erinnert zuweilen hintergründig an Hitchcock.

          Selbst der „Friedhof“ (2016), wo am rechten Bildrand eine im Vergleich zur
          Größe der Grabkreuze viel zu kleine Figur im kurzen blauen Rock und blauen
          Schuhen ansatzweise zu erkennen ist, flötet sich hinterm weißen Mäuer-
          chen mit roten Ziegeln womöglich sein ganz eigenes Lied vom Tod.

          Am „Kiosk“ (2016) gibt es Blumen und Hot Dogs. Die Kundschaft unter den
          weißroten Markisen wirkt normal entspannt. Das gilt – auf den ersten Blick
          – auch für das Idyllenbild „Moselglück“ (2016). Doch wohin treibt der Anle-
          ger? Herrscht womöglich Hochwasser, hat er - und was genau tun die beiden
          Personen, die darauf stehen? – sich vom Ufer gelöst? Was weht denn da für





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